Clara Haberkamp – p
Oliver Potratz – b
Jarle Vespestad – dr
Solo
Clara Haberkamp – p
Duo Azadi
Clara Haberkamp – p
Atena Eshtiaghi – vc
Ein Klaviertrio zu leiten, gehört zu den Konstanten in Clara Haberkamps Karriere. Ihr erstes Trio hat sie 2010 gegründet. Jarle Vespestad kam 2022 als etatmäßiger Schlagzeuger hinzu. PLATEAUX (JAZZart, dem neuen Label von TYXart, 2024) ist die erste Einspielung mit ihm.
Ihre beiden Mitverschwörer sind sehr feinsinnige, raffinierte Musiker und gehören einer etwas älteren Generation an als sie selbst. Bassist Oliver Portratz ist einer der gefragtesten Vertreter seines Instruments in Deutschland. Jarle Vespestad kann auf weiträumige Erfahrungen, unter anderem auf mehrere Jahre bei Farmers Market und in Tord Gustavsens Trio, zurückblicken. Jeder von ihnen hat auf über hundert Alben mitgewirkt. Dennoch ist es die enorm versierte Pianistin, die die Richtungen zeigt, die der Musik ihre Formen und ihren Kollegen ihre rhythmischen und harmonischen Herausforderungen gibt.
Das Auffälligste an PLATEAUX ist das erstaunliche Spektrum an Stilen und Spielweisen, über die das Trio verfügt. Clara Haberkamp sagt: „Wir spielen auf dem gleichen Fundament und sind in jedem Augenblick bereit, neue Richtungen einzuschlagen. Das erfordert eine hohe Bereitschaft, Risiken einzugehen. Ich kann manchmal die Verantwortung einfach abgeben und mich losmachen.“
Der Albumtitel ist von einem Buch angeregt, dessen Autoren mit allen Mitteln traditionelle Machtstrukturen und Hierarchien beschreiben und deren Auflösung ermutigt haben: Milles Plateaux (1980) des Philosophen Gilles Deleuze und des Psychoanalytikers Félix Guattari. Die Welt hat sich seitdem weiter bewegt, und wenn man Haberkamp und den Weichenstellungen ihres Trios folgt, gibt es seitdem bessere Wege des Erfindens und Kommunizierens.
Die Musik auf PLATEAUX hat alles, von verzwickten Kontrapunkten (Collage), leidenschaftlich intensiver Lyrik (Enfold me like a poem), ruhig reflektierter (On a Park Bench) oder idealisierter Traumlandschaften (Fantasmes) bis hin zu Momenten, in denen die Musik zurückkehrt zu einfachen, gefühlvollen Ausdrucksweisen, die jeden berühren (If You Could Read My Mind). Und nur wenige Sängerinnen/Pianistinnen wie Shirley Horn haben die Intensität des Zusammenklangs von Klavier und Stimme erreicht, die Haberkamp ihrem eindringlich reharmonisierten Danny Boy gibt – eine willkommene Gelegenheit, für ein einziges Stück zum Gesang zurückzukehren.
„Ich habe mich verändert,“ sagt Clara Haberkamp. „Meine role models in der Musik und im Leben sind heute Frauen, die Stärke und Selbstbestimmtheit mit Sensibilität und Empathie verbinden.“ Solche Gedanken fügen sich nicht nur in ihre persönliche Entwicklung und ihre Konturen in der europäischen Musikszene, sie prägen auch die Art, wie sie spielt und das Trio leitet: Natürlich, eins mit sich und dem Klavier und mit ihrer Rolle als Bandleaderin. Das ermöglicht ihr, aus der Menge der Klaviertrios herauszustechen.
Es gilt als Tugend, Schwächen in Stärken zu verwandeln. Gut so. Die Berliner Pianistin Clara Haberkamp ist aber schon ein Stück weiter, denn in einem beständigen Prozess der Osmose verwandelt sie Stärken längst in weitere Stärken. Nein, das ist kein Paradoxon. Auf einem beständigen Weg der Vervollkommnung geht es der feinfühligen Ton-Poetin nicht um Perfektion, sondern darum, sich auf jeder Station des Weges neu zu erfinden, ohne das Erreichte zu verleugnen.
Clara Haberkamp hat sich im Laufe der letzten Jahre eine außerordentlich markante Handschrift als Komponistin zugelegt. Ausdruckskraft, Seelentiefe und die einzigartige Fähigkeit, produktive Zweifel in sinnlichen Klang zu übersetzen, gehören zu ihrem Markenkern, dem sie sich auf jedem ihrer Alben aus einer anderen Perspektive annähert. Von Mal zu Mal klingt sie aufgeräumter, und doch ist alles, was man von ihr kennt und zu schätzen gelernt hat, im Kern noch enthalten, nur jedesmal noch gelöster.
Sie öffnete sich nicht nur auf dem letzten Trio-Album der Improvisation. Vor allem solo fokussiert sie sich voll und ganz auf den Klang des Klaviers und schöpfte die Bandbreite seiner Möglichkeiten aus. Vom Kokon der externen Erwartungen befreit, spielt sie einfach nur noch unerschrocken drauflos.
Azadi bedeutet Freiheit, und so kann das, was diese beiden talentierten Musikerinnen im Flow der Improvisation mit genügend Songstruktur und irgendwo im Wasser von Jazz und Klassik kreieren, niemanden unberührt lassen. Genregrenzen bleiben unbeachtet und es ist egal, woher das musikalische Material ihres Spiels herkommt: allein Möglichkeiten zählen, und derer gibt es unendlich viele. Ausbrüche, Überraschungen und emotionaler Überschwang dürfen und müssen sein und garantieren höchste Authentizität, und dabei ist alles im Fluß.