Günter Baby Sommer & Lucaciu 3

Günter Baby Sommer & Lucaciu 3

ANTONIO LUCACIU   alto sax

SIMON LUCACIU   piano

ROBERT LUCACIU   bass

GÜNTER BABY SOMMER   drums, percussion, voice

Intakt Records

 

 

 

Gewinner Deutscher Jazzpreis 2023
„Schlagzeug / Percussion national“

„Diese Aufnahme schafft wahre Glücksmomente!“

Kultkomplott 06/2022

Nicht jede Band kann von sich behaupten, musikalisch komplex und auf höchstem Niveau zu wirken und dabei auch noch innerfamilär und intergenerationell zu verhandeln. Das neue Quartett um Trommler-Meister Günter Baby Sommer und die drei Lucaciu-Brüder schafft dieses Kunststück und fasziniert damit!

Aber von vorn. Günter Baby Sommer sieht sich in afroamerikanischer Tradition und ist ein herausragender Repräsentant des freien Jazz der DDR. Er entwickelte das Schlagzeugspiel, zentraleuropäische Trommlerwelten durchschreitend, hin zu einer virtuosen, klanglich komplexen, rhythmisch vielgestaltigen, systematisch gegliederten und dramatisch hoch verdichteten musikalischen Praxis. Die anderen drei Mitglieder des Quartetts sind zwei Generationen jünger. Günter Baby Sommers Musik und Präsenz gehörte für sie zum Bestand der Traditionen, von denen sie sich inspiriert fühlen und denen sie sich darum zugewandt haben. Jazz ist für sie ein historisches Projekt, dem sie einige Sympathie entgegenbringen. So entsteht zwischen diesen vier Musikern ein Spannungsfeld, das von Gemeinsamkeiten und Differenzen – nicht nur durch den Altersunterschied – geprägt und nicht von Nachsicht abgemildert ist. 

Günter Baby Sommer liebt ereignisdichte Trommlerarbeit. Er steckt voller intensiver Vibrationen, mit denen er nicht hinterm Berg hält, und er hat das Schlagzeugspielen als dramatische Kunst begründet. In seinem Spiel gibt es nur Hauptcharaktere, auch wenn ihre Auftritte manchmal kurz oder sogar einmalig sind. Er setzt Klangcharaktere und Klanggegenstände in die Welt, und nichts davon ist im Augenblick des Erscheinens eine Nebensache. Seine Sorgfalt und Vehemenz verteilt sich gleichmäßig auf alles, was entsteht. Und meist geht alles ohne markantes afroamerikanisches Swing-Gefühl vonstatten. 

Antonio Lucacius Saxofon kommt ihm dabei oft recht nahe. Seine Artikulationen sind intensiv, heiser, mehrdeutig, obertonreich und folgen einer inneren Bewegung präzise und nuanciert. Nichts verläuft hier schulmäßig, aber Erinnerungen an die Jazzgeschichte des Saxofons sind am Horizont lebendig und seine Nähe zum Pop – er spielt u.a. in der Band von Sänger Clueso – durchaus spürbar. Auf der anderen Seite der Ereigniswolke sitzt Simon Lucaciu am Klavier. Nicht Verdichtung ist sein Anliegen, sondern Achtsamkeit. Mit 24 Jahren der Jüngste im Bunde, erstaunt er mit seiner Sensibilität. Er hält sich zurück, er sucht und findet Lücken im angespannten Gewebe des Spiels, dessen Teil er selbst ist. Mit leisen Anschlägen, mit fragil-angespannten melodischen Phrasen oder behutsamen Akkorden öffnet er weite Räume, sorgt dafür und zeigt, dass hier aufmerksam gehört wird. Robert Lucaciu am Bass, der sich einen Namen gemacht hat als Improvisator mit Nähe zur Neuen Musik, vermittelt zwischen den beiden Flügeln der Musik. Er gesellt sich zum Schlagwerk. Er befragt und antwortet auf das Saxofon. Er tupft behutsam mit dem Klavier und biegt an einer Gabelung ab. Er erhebt Einspruch, synchronisiert sich wieder. Und jeder dieser vier Musiker hat in jedem Augenblick Augen und Ohren weit offen für die anderen drei. 

Aber diese Rollenverteilung im Spielprozess erklärt nicht allein die Spannung der gesamten Situation. Denn da sind noch die Kompositionen, von Günter Baby Sommer gern als «Spielanlässe» tituliert. Sommers Stücke sind aus der Arbeit mit dem gestimmten, gut sortierten Schlagwerk-Set entstanden und geformt aus klanglich komplex groovenden Patterns und melodischen Handläufen. Robert und Simon Lucaciu haben andere Kompositionen in die Band eingebracht. Ihre Musik lebt eher von rhythmisch prägnanter Ruhe, von tonal zugespitzter Aufmerksamkeit, von einem konzentrierten Zeitgefühl. Die Inspirationsquellen für die Kompositionen sind vielfältig. In der Auseinandersetzung mit Hugo Balls Poesie, Bartoks Klaviermusik und fast vergessenen Volksliedern entstehen neue Zwischenräume.

Freuen wir uns auf ein musikalisch vielfältiges und buntes Familientreffen, bei dem alle Beteiligten respektvoll miteinander kommunizieren und auch von sich selbst erzählen dürfen. Drei gleichberechtigte Brüder im Dialog auf Augenhöhe mit Sommer, der in diesem Jahr 80 wird. Das macht hellhörig, spricht Herz und Hirn an, berührt, inspiriert und macht vor allem eins: ungemeinen Spaß!  

Intakt Records

Familientreffen haben immer einen eigenen Reiz: tiefe Vertrautheit verbunden mit einem ganz besonderen Konfliktpotential. Innerfamiliäre Spannungen haben eine sehr spezielle Form von Elektrizität. So ein Knistern spürt man auch auf dem Album „Karawane“ der drei Lucaciu-Brüder aus Plauen – Altsaxophonist Antonio, Pianist Simon und Kontrabassist Robert – zusammen mit der Dresdner Schlagzeug-Legende Günter Baby Sommer. Dieser Trommel-Meister, zwei Generationen älter als die drei hochmusikalischen Lucacius, zeigt auf dem Album seine ganze Bandbreite an Klangkunst: kompromisslos energetisch, mit der „Baby-eigenen“ Power, aber auch mit seinem untrüglichen Geschmackssinn für lyrische Geräusche. Die drei Lucacius sind dabei absolut gleichberechtigte Anspielpartner untereinander und mit Sommer im Dialog. Heiß britzelnde Luft, dunkle, sich auftürmende Wolken, cooler Windhauch, all das weht durch die Kompositionen auf dem Album „Karawane“. Auch das gleichnamige Dada-Gedicht von Hugo Ball wird zum Klingen gebracht. Und natürlich darf auch ein „Hymnus“ von Günter Baby Sommer nicht fehlen, an dessen Kantigkeit man sich einfach nicht satt-hören kann. „Karawane“ ist ein buntes und vielfältiges musikalisches Familientreffen, bei dem alle Beteiligten auch von sich selbst erzählen dürfen. Etwa ist Antonio Lucacius Prägung als Popsaxophonist durch aus spürbar, Roberts weiter Horizont als Improvisator mit Nähe zur Neuen Klassischen Musik, Simons Feinfühligkeit, mit zarten Einflüssen seines Professors Michael Wollny. Und Günter Baby Sommer, der ist sowieso immer unumstößlich er selbst. So ein Familientreffen macht richtig Spaß! 

BEATE SAMPSON, ROLAND SPIEGEL, ULLI HABERSETZER in „HÖREN WIR GUTES UND REDEN DARÜBER“, BR KLASSIK, 06/2022

Die alten Haudegen des Jazz waren immer dann besonders faszinierend, wenn sie sich mit jungen Generationen von Musikern vereint haben.  (…) Doch nun hat er sich mit Musikern zusammengetan, die fast vier Jahrzehnte jünger sind als er selbst. . (…) Und es zündet zwischen den Vieren von der ersten Sekunde an. Die Art sich gegenseitig zu reiben, Gemeinsamkeiten auszuloten, in der Tradition zu stöbern, neue Ideen auszuprobieren, Risiken einzugehen und miteinander Spaß zu haben ist einfach wunderbar. Diese Musik hat Konturen und Fantasie, wird gespielt von Könnern an ihren Instrumenten, die sich jede Neugierde bewahrt haben. Einer Karawane nicht ganz unähnlich zieht das Quartett geschlossen durch die Wüsten und die Oasen des Jazz, trotzt sämtlichen Zeitströmungen, gestaltet klanglich spektakuläre Momente, komponiert außergewöhnlich, interpretiert lebendig und gegenwärtig Traditionals, Bela Bartok oder setzt im Titelstück des Albums den großen Sprachkünsterl Hugo Ball in Szene. Trotzdem ist es ein eigenes Ausdruckssprektrum, was die Vier entwerfen. Man spürt den Blues, den Bop, den Swing und die Freiheit die in ihnen stecken. Doch letztendlich hat diese Musik einen völlig individuellen Charakter und überrascht immer wieder aufgrund von sprühendem Intellekt und ausgelassener Bodenständigkeit. Diese Aufnahme schafft wahre Glücksmomente! 

JÖRG KONRAD, KULTKOMPLOTT 06/2022

Wie Baby Sommer in immer anderen Wendungen voller kleiner und großer Kabinettstücke und mit scheinbar nie versiegenden Ideen diesem Album lustvoll ein rhythmisches Rückgrat einzieht, wie er als Solist, aber eben auch als gruppendienlicher Ziseleur den Stücken Verve und Tiefenschärfe gibt, das ist unnachahmlich und so, als würde er mit dieser Band aus einem Jungbrunnen steigen. (…) So entspricht dieses druckvoll rhythmisierte Lautpoem ganz der Dichte der Ereignisse auf dieser ebenso überraschenden wie verblüffenden CD. Ein tragfähiges Gewebe stricken die vier voller Aufmerksamkeit für einander: Das funktioniert, weil sich hier vier Individualisten zu etwas Größerem ergänzen!

ULRICH STEINMETZER, FREIE PRESSE 07/2022

Sommer’s free instincts have never overshadowed his rootedness in the jazz tradition, and the gospel-drenched „Hymnus,“ the album’s closer, is a case in point. Heartfelt and resonant, with plenty of Sommer’s ardent vocalizations in the background, it nicely encapsulates the joy and delight of this invigorating recording.

ALLABOUTJAZZ, 08/2022